Hey Kotzis! Da sind wir wieder. Ihr wisst ja: wir sind die Band, die da hin geht, wo es wehtut. Manchmal für uns, manchmal für Andere und manchmal ist der Schmerz beidseitig. Als Kristiane die Idee hatte, dass wir doch mal auf ne Hochzeitsmesse gehen und da für Stimmung sorgen könnten, da wusste ich nicht, für wen das nun am meisten Schmerz bedeuten würde. Aber ich wusste, dass es super werden würde. Also, unsere Version von super.
Wochenende. Irgendwann viel zu früh. Messegelände. Wir und gefühlt hunderttausend Weiber (und das Wort meine ich in dem Fall genauso abwertend, wie es klingt). Ein Ziel: die örtliche Hochzeitsmesse. Nee, is gelogen. Die hatten definitiv nicht das gleiche Ziel wie wir. Geographisch vielleicht, aber inhaltlich: Wahnsinnsunterschied. Die wollten Tüll und rosa hach und schlimme DJs. Wir wollten halt: Terror.
Natürlich (!) kamen wir da vorgeglüht an. Frühschoppen. Hält ja sonst keiner aus, diese rosa Hölle. Außerdem ist “sich auf der Hochzeitsmesse betrinken” genau so super und unterschätzt wie “sich in Disneyland betrinken” – macht auch kaum jemand und ich habe für diese Tatsache null Verständnis.
Zurück zum Drama: kaum angekommen schon der erste Anfall. Weil wegen der Musik. Wer sucht denn so ne Weichspülscheiße aus? Das macht doch aggro!! Hier schien die große Masse aber nix dagegen zu haben, musikalisch gesehen in nem Kaufhausaufzug zu heiraten. Penner! Wir erstmal vorbei an den nuttig aussehenden Eulen mit den Werbeflyern und gezielt auf zum Begrüßungssekt. Das Zeug exen und dann weiter. Alles muss, nichts kann.
Was machten wir eigentlich dort? Was wollten wir da? Nix interessierte uns. Wir kamen uns sehr sehr fehl am Platz vor und das half der Stimmung nicht gerade. Es begannen Überlegungen, wie wir uns noch mehr Begrüßungssekt erschleichen konnten, aber wenn eine von uns die Frage “Ja, und dann?” stellte, waren wir gefangen im Argumentations-Loop. Fatal!
Wir steuerten semi-betrunken durch die Halle und endlich fand ich etwas, das ich noch bekackter fand als alles bisher gesehene: Hochzeitsfotografen und ihre “Werkschau”. Alteeeeerrrr….wie sehr muss man sich als Paar hassen um sich gegenseitig sowas anzutun? Welche höhere Macht diktiert diesen Menschen, dass diese Posen und das dazugehörende Weichzeichner-Level okeh sind um die eigene Hochzeit abzubilden? Danke, Merkel!
Als ich gerade ein Foto gefunden hatte, auf dem die Braut in ganz scheiße Engelsflügel gephotoshoped bekommen hatte und in der Hand des Bräutigams in einen Airbrush-Sternenhimmel flog (Würgreflex!! Mit Geräusch!), musste es passiert sein: ich hatte Kristiane verloren. Also, nicht mental, weil wegen für immer connected, sondern so in echt. Die war weg!
In ner Bar oder aufm Konzert kann so was mal passieren, aber auf ner Hochzeitsmesse?? Da ist das ne epische Katastrophe für Menschen wie uns! An so einem düsteren Ort muss man zusammen bleiben, sonst droht Verdammnis!
Ich begann sofort, sie zu suchen. Vorbei an grotesken Kuchenmassakern, bescheurter Deko und noch viel bekloppteren Menschen irrte ich durch die Gänge dieses Gute-Laune-Infernos. Sie war wie verschollen. Immer im Hintergrund diese Alleinunterhaltermusik. Love is in the air. Hmm, is klar. Hier war keine Liebe in der Luft, sondern nur Panik. Als ich gerade begann, mich wie in einem Horrorfilm zu fühlen, hörte ich undeutlich, aber sehr aggressiv, eine Stimme brüllen. Ich konnte nix verstehen, aber ich folgte der Stimme wie man dem Licht ans Ende des Tunnels folgt. Je näher ich kam, desto klarer wurde es: es musste Kristiane sein. Erleichtert und besorgt zugleich lief ich schneller. “Verdammte Idioten…..hört mir denn keiner zu…..das ist alles Müll hier….MÜLL….ich möchte das nicht”.
Als das Schreien am lautesten war, hatte ich sie gefunden. An einem Stand für Hochzeitskleider. Sie war in eine dieser Kleiderstangen gefallen und wühlte sich auf dem Weg in die Freiheit durch Unmengen von Polyester, Tüll und Hässlichkeit. Es sah schon sehr lustig aus, wie sie versuchte, sich zu befreien und immer wieder hinfiel. Ich hielt inne. Sowas sieht man ja nicht soooo oft.
“SPITZE!!!! ICH HAB SPITZE GESAGT!!! BELGISCHE FUCKING SPITZE IHR PROLETEN!!! BRINGT MIR SOFORT BELGISCHE SPITZE!!!!”. Oh nein…ihr Vera Wang-Trauma war wieder hochgekommen. Es hielt mich nicht ab, meine Kamera hervor zu holen. “Wenn du das machst, klopp ich erst dich und dann deine Kamera. Und dann nochmal umgekehrt!”. Ihre Augen waren sehr aufgerissen, während sie mir das sagte und so entschied ich mich dafür, die Kamera wieder verschwinden zu lassen und stattdessen meine Freundin und Bandkollegin aus dem Polyesterbad abzuholen.
Die Leute, die den Stand betreuten, hatten sich vor lauter Angst schon längst versteckt. Als ich Kristiane befreit hatte, verschwanden die Schaulustigen ebenfalls aus Sorge um Leib und Leben und so konnte ich sie einfach Huckepack nehmen und aus der Halle tragen. “Shhh, alles wird gut. Gleich haben wir’s geschafft. Alles wird gut.” murmelte ich ihr zu, während ich sie auf dem schnellsten Weg aus der Halle trug und sie auch nur ca. 15 Mal auf mich aschte.
Punk will never die!